Leserbrief: Sinn und Unsinn des Frauenstreiks

Ich mag die Bezeichnung Frauenstreik nicht. Ein Streik ist das Einstellen der Arbeit zur Durchsetzung bestimmter Forderungen gegenüber den Arbeitgebern. Sind Frauen also die Arbeitnehmer der Männer? Mit dieser klassenkämpferischen Bezeichnung zementieren wir jene Rollen und die wir eigentlich öffnen wollen. Die schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege beeinträchtigen Pflegende und Patienten, ebenso wie die unbefriedigenden ausserschulischen Kinderbetreuungsangebote beide Elternteile belasten. Ja, statistisch gesehen tragen mehr Frauen die negativen Auswirkungen davon. Dennoch sind es keine «Frauenprobleme», sondern gesellschaftliche Herausforderungen, die uns alle betreffen und die es zu lösen gilt. Darum sollten wir die Anliegen des Frauenstreiks ernst nehmen, auch wenn die Bezeichnung oder gewisse Forderungen etwas plakativ sind. Das klassische Rollenbild führt ebenso auch zu «Männerproblemen». Ich würde behaupten, es gibt mehr Männer, die ihren Job nicht mögen, aber diesen gewählt haben, um der Rolle als Brotverdiener und Hauskäufer gerecht zu werden. Alle profitieren, wenn wir nicht in die klassischen Rollenbilder hineingezwängt werden und stattdessen die Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam meistern.

Erschienen in der Zuger Presse am 13. Juli 2021